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Hinter die Sterne geschaut

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Während Dr. Martin Federspiel, stellvertretender Leiter des Planetariums Freiburg, per Knopfdruck die Weltraumrakete steigen lässt und per Starmaster kurz einmal auf dem Mars aussteigt, dürfen wir von DAS STADTMAGAZIN per Anhalter mit durch die Galaxis fliegen und unseren Kapitän mit Fragen bombardieren. Eine Reise durch Raum und Zeit beginnt.

Herr Dr. Federspiel, wie sind Sie zu ihrer Leidenschaft für Sterne und Galaxien gekommen?

Als Zwölfjähriger gab es ein Schlüsselerlebnis. Wir waren auf einer Reise in Israel und nachts in der Wüste gab es einen sehr schönen Sternenhimmel zu sehen. In der Reisegruppe war ein Lehrer, der sich mit dem Himmel gut auskannte und der hat ihn uns jeden Abend gezeigt. Zuhause habe ich dann selbst gelesen und recherchiert, bekam mein erstes kleines Fernrohr geschenkt und so kam die Idee, dass ich beruflich immer mehr in Richtung Astronomie gehen möchte. Ich habe dann Physik studiert mit Spezialisierung auf die Astrophysik.

Dr. Martin Federspiel im Poträt
Quelle: Badische Zeitung

Steckbrief Dr. Martin Federspiel

57 Jahre, in Lüdenscheid (Westfalen) geboren, aufgewachsen in Ulm, gesamte Schulzeit dort verbracht, 1985 zum Physik-Studium nach Freiburg gekommen, Hiwi-Job im Planetarium, Promotion in Basel, seit 30 Jahren im Planetariumsteam, seit 1998 stellvertretender Leiter des Planetariums.

Was fasziniert Sie an der Astrophysik?

Ich denke, jeder Mensch hat in sich diese ganz grundsätzlichen Fragen, die jeden faszinieren. Wo kommen wir denn eigentlich her? Was hat uns hervorgebracht? War das Zufall oder eine Schöpfung? So geht es mir auch. Und das merken wir auch bei den Besuchern im Planetarium. Wenn Sie hier mit einer Schulklasse arbeiten, kommen immer Fragen auf wie, was sind schwarze Löcher, gibt es Aliens. Da kann man fast schon drauf wetten (lacht). 

Filmszene: Ein Paar sitzt am Strand, schaut in den Himmel. Ein Moment der Romantik. Woran denken Sie, wenn Sie in den Sternenhimmel blicken?

Ich sehe das Ästhetische, das Faszinierende, was mir Staunen abnötigt. Als Naturwissenschaftler staunt man eigentlich unentwegt. Natürlich sind im Hinterkopf diese vielen Zahlen. Aber die Ästhetik, das Staunen, wenn man in den Sternenhimmel guckt, das Romantische ist geblieben. Für mich ist es ein Gemälde, das die Natur in den Kosmos malt.

Quelle: cindy-chen
Dr. Martin Federspiel unterhält sich mit Dr. Thomas Presper über DAS STADTMAGAZIN – und es gefällt ihnen.

Wenn das Staunen verflogen ist, beginnt wieder das Suchen von Antworten. Was lesen Sie aus dem Sternenhimmel?

Der Sternenhimmel zeigt uns die Vielfalt des Kosmos. Wenn wir uns etwa die Planeten und ihre Monde anschauen, jeder ist für sich speziell und individuell, hat seine eigene Geschichte erlebt und ja, wenn man dann aus dieser Vielfalt auch wieder zurück blickt auf die Erde und ihre Einmaligkeit im Sonnensystem, dann möchte ich auch wissen, ob es so einen Planeten noch einmal gibt.

Beim Forschen mit der Unendlichkeit, wo ziehen Sie für sich die Grenze zwischen Realität und Fantasie?

In der Naturwissenschaft unterscheidet man zwischen verschiedenen Ebenen der Erkenntnis. Was in Lehrbüchern steht, ist schon relativ gut erforscht. Aber vieles ist noch hypothetisch. Die Astrophysik ist im Moment in einer Situation, wo man erkennen muss, dass man vieles im Universum noch nicht verstanden hat. Da gibt es die Dunkle Materie, die man selbst nicht sehen kann, nur die Wirkung ihrer Anziehungskraft. Aus der Bewegung der Sterne in Galaxien, kann man schließen, dass da noch etwas ist, was zusätzliche Anziehungskraft ausübt, was man aber nicht sehen kann. Man hat zwar herausgefunden, dass etwa 80 Prozent der Materie im Universum dunkel ist, aber das heißt auch, dass man 80 Prozent noch nicht verstanden hat.

Aber es kommt noch schlimmer: Wenn man sich den gesamten Energieinhalt des Universums anschaut, also auch das, was das Universum offenbar auseinandertreibt und Dunkle Energie genannt wird, dann stellt man fest, dass nicht einmal 5% zu unserer Alltagswelt aus „normaler“ Materie und Strahlung bestehen – 95% sind unverstanden!

Wir können Flugzeuge bauen, wir können Handys bauen. Das funktioniert alles wunderbar, auch wenn die fundamentalen Fragen der Physik ungelöst sind.

Dr. Martin Federspiel im Gepsräch mit Jennifer Reyes
Artwork Sterne

Bevor wir fluchtartig das Planetarium verlassen… Nein, aber im Ernst, machen Ihnen manche Erkenntnisse nicht Angst?

Angst macht mir das nicht. Aber es zeigt, dass die Physik wieder einmal am Scheideweg oder an einer Schwelle ist, wo etwas ganz Neues kommen muss. Ganz ähnlich wie vor gut einhundert Jahren, als die Quantenphysik und die Relativitätstheorie kamen. Vieles konnte mit diesen neuen, großartigen Theorien gelöst werden, aber selbst diese beiden Theorien wollen nicht recht zusammenpassen, etwa wenn man Schwarze Löcher beschreiben will. Und wie gesagt, was Dunkle Materie und dunkle Energie angeht, haben wir im Moment keine Ahnung. Dennoch funktioniert der Alltag gut: Wir können Flugzeuge bauen, wir können Handys bauen. Das funktioniert alles wunderbar, auch wenn die fundamentalen Fragen der Physik ungelöst sind.

Welcher Stern steckt hinter dem Stern von Bethlehem?

Der Evangelist Matthäus erwähnt einen Stern, der die Sterndeuter aus dem Osten zur Krippe geführt hat. In vielen Planetarien wird die Geschichte vom Planeten Jupiter erzählt, der sich im Jahr 7 vor Christus dem Saturn genähert hat. Der Königsplanet Jupiter nähert sich dem Saturn, dem Planeten, der für das Volk der Juden stand (Saturn steckt heute noch im englischen Wochentag Saturday, dem Sabbat, dem heiligen Tag der Juden). In der damals von der babylonischen Astrologie beeinflussten Kultur des nahen in mittleren Ostens könnte das für Matthäus ein willkommenes Element für seine Weihnachtsgeschichte gewesen sein, ein himmlisches Zeichen für die Geburt eines neuen Königs der Juden. Ihm ging es darum zu betonen, dass etwas Besonderes passierte. Ob es eine reale Himmelserscheinung gab, war für ihn nicht entscheidend, als er sein Evangelium knapp 100 Jahre nach Christi Geburt schrieb.

Welches Sternbild beeindruckt Sie am meisten?

In der Milchstraße sieht man eine ganze Fülle von Objekten, z.B. leuchtend bunte Gasnebel. Das schönste Sternentstehungsgebiet, das man von Deutschland aus sehen kann, steht im Sternbild Orion und ist das Hauptwintersternbild.

Es ist ein wunderbar symmetrisches Sternbild, gerade mit den drei Sternen in einer Linie, dem Oriongürtel. Der linke Schulterstern im Sternbild Orion fällt besonders auf. Er hat sich aufgebläht, ist riesengroß geworden, viel größer als die Sonne, zu einem roten überriesigen Stern.

Durch die rötliche Farbe erkennt man ihn mit bloßem Auge und weiß, dass er irgendwann als Supernova explodieren wird.

Quelle: Denis Degioanni

Was ist das Besondere am Winterhimmel?

Im Winter hat man alles auf einen Blick: vom Sternentstehungsgebiet Orionnebel über den Sternhaufen der Plejaden, die Sternwolken der Milchstraße bis zu unserer Nachbargalaxie, dem Andromedanebel. Dann hat man auf einen Blick eine ungeheure Vielfalt vor sich. Das sieht man mit bloßem Auge so nur im Winter.

Dieses Nebelfleckchen im Sternbild Andromeda hat es übrigens in sich. Es ist ungeheuer wichtig für unser Weltbild. Vor genau 100 Jahren hat man sich gestritten: Was ist das eigentlich? Ist das eine eigenständige Milchstraße oder ist es nur ein Teil von unserer Milchstraße? Und steht es uns somit sehr viel näher? Der Andromedanebel ist eine eigenständige Galaxie, eine eigene Milchstraße. Seitdem war klar: Das Universum ist wahnsinnig viel größer als man bis dahin gedacht hatte.

Wirken die Gestirne auf uns Menschen?

Wir sind definitiv „Kinder des Weltalls“, wie Hoimar von Ditfurth vor fünfzig Jahren formuliert hat. Alles, woraus wir und die Erde bestehen, die ganze chemische Vielfalt, kommt aus dem Universum. Sterne haben das in ihren Bäuchen gekocht, irgendwann herausgeblasen in den Kosmos, damit die Gas- und Staubwolken kontaminiert, aus denen irgendwann später die Sonne und die Erde entstanden sind. Und so ist jedes Atom, das in uns ist, irgendwann einmal im Bauch eines Sterns gewesen oder kommt direkt aus dem Urknall. Zum Beispiel hat jeder Lithium-Batterien in seinem Handy, dieses Lithium kommt aus dem Urknall. Es ist in den ersten paar Minuten des Kosmos entstanden.

Schläft man schlecht bei Vollmond? Ist das bei Ihnen so?

Nein. Nie. Dass manche Menschen bei Vollmond nicht gut schlafen können, weiß ich. Wenn mir der Vollmond bei klarem Himmel auf die Nase scheint, dann ist das bestimmt störend, aber wenn ich den Vorhang zu mache, merke ich nichts davon.

Quelle: chuttersnap

Sie leben nicht nach dem Mondkalender?

Ganz sicher nicht. Wenn ich aber gefragt werde, wann ich in den Ferien verreise, schaue ich natürlich schon, dass ich über Neumond in den Ferien bin, damit ich da auch Sterne gucken kann, ohne vom Mondlicht gestört zu werden. Insofern lebe ich nach dem Mond, aber anders als viele andere

Kurz vor dem Raketenstart: Jenny macht ein Selfie mit Herrn Dr. Martin Federspiel im abgedunkelten Planetarium.

In ihrem Beruf spielt sich vieles nachts ab. Sind Sie eine richtige Nachteule?

Je älter man wird, umso mehr braucht man seinen Schlaf. Früher als Student konnte ich die Nächte durchmachen am Teleskop. Das geht heute nicht mehr. Ich bin hobbymäßig mit meinem Fernrohr ab und an nachts aktiv, bereue es aber dann manchmal am nächsten Morgen, weil ich dann doch müde bin. Aber Astronomie können Sie auch am Tag machen und z.B. die Sonne beobachten.

Was sind Ihre alltäglichen Aufgaben im Planetarium?

Ich führe Shows vor und gestalte einen Teil der Vorführungen im Programm. Dazu schreibe ich Drehbücher für neue Shows. Die Umsetzung ist Teamarbeit. Alleine könnten Herr Presper, Leiter des Planetariums, und ich das gar nicht machen. Da steckt so viel dahinter: Technik, die am Laufen gehalten werden muss, die Animationen und natürlich der Service. Ein Teil der Verwaltungsarbeit gehört auch dazu.

Herr Dr. Martin Federspiel, vielen Dank für das Gespräch.

Programmausblick

  • Der Sternhimmel des Monats“ – alle vier Wochen am 1. Montag eines Monats für Wissbegierige, die den Kosmos immer weiter ergründen wollen
  • „Feuer – die kosmische Geschichte des Sauerstoffs“ – ausgehend vom ehemaligen Silberbergbau im Schauinsland präsentiert das Programm die Rolle des Sauerstoffs in der Geschichte des Kosmos, der Erde und in der Chemie.
  • „Jenseits der Milchstraße“ – erklärt den großen Aufbau des Universums und seine Geschichte.
  • „Die großen Augen der Astronomie“ Opa nimmt seine Enkel und ein Teleskop mit zum Sterne gucken … – für Familien neu seit Januar 2022

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