Artwork Junge mit BuchArtwork Herz
Museumsleiterin Daniela F. Eisenstein
Quelle: Stadtmagazin

Jüdisches Leben in Franken

Veröffentlicht am:

Für unsere Reihe „Mein Lieblingsstück“ haben wir uns dem Jüdischen Museum Franken gewidmet. Dabei handelt es sich nicht nur um ein Museum, sondern genau genommen um drei Museen, die in Fürth, in Schnaittach und in Schwabach jüdisches Leben in Franken beleuchten. An den drei Standorten soll aber nicht nur die sehr reiche, fast tausendjährige Geschichte aufgearbeitet werden, sondern –in Ausstellungen und Veranstaltungen – auch die Vielfalt jüdischen Lebens in der Gegenwart dargestellt werden.

Das Jüdische Museum Franken ist – wie seine langjährige Leiterin Daniela F. Eisenstein betont – das größte jüdische Museum Nordbayerns und mit seiner pädagogischen Arbeit sehr prägend für die Region.

Quelle: Stadtmagazin

Wir sind einerseits sehr wichtig, was die klassischen Museumsaufgaben betrifft – das Sammeln, das Bewahren, die Forschung, die Präsentation und die Vermittlung –, andererseits sind wir aber auch ein wichtiger Impulsgeber für den nordbayerischen Raum.“

Daniela F. Eisenstein

Von großer Bedeutung ist Daniela F. Eisenstein der Bildungsauftrag, den das Museum für Kinder und Jugendliche hat: „Wir wollen den jungen Menschen helfen, selbständig zu denken, zu reflektieren und nicht nur in der Empathie zu verharren. Denn da bleibt man ja letztendlich passiv. Ich wünsche mir, dass die Jugendlichen aktiv in die Gesellschaft gehen und etwas bewirken.“ In diesem Zusammenhang spielen das museumspädagogische Konzept und die Vermittlungsarbeit eine wesentlich wichtigere Rolle, als die vor zwei Jahrzehnten der Fall war.

Unter den Wandmalereien ist die Szene einer Hasenjagd einzigartig. Sie wurde bisher in keiner anderen Laubhütte Europas gefunden. Der gejagte Hase steht deshalb im Mittelpunkt des Jüdischen Museums Franken in Schwabach.

Das Lieblingsstück

Auf die Frage, ob sie unter allen den interessanten und prachtvollen Stücken in „ihrem“ Museum ein Lieblingsstück habe, antwortet Daniela Eisenstein ganz spontan: „Ja ich habe hier ein Lieblingsstück und das bleibt auch immer dasselbe Objekt, das ist das ,Fürther Memorbuch‘. Das ,Fürther Memorbuch‘, oder wie es auch genannt wird das ,Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge‘ ist ein Objekt, das so viele Erzählschichten hat, dass man stundenlang darüber sprechen könnte.“

Quelle: Jüdisches Museum Fürth

Über Memorbücher

Memorbücher enthalten neben Gebeten die Namen verstorbener Gemeindemitglieder. Dazu muss man wissen, dass es im Judentum üblich ist, die Namen der Verstorbenen im gemeinsamen Gebet in der Synagoge zu sprechen. Memorbücher sind also eine Art virtueller Gedächtnisort, da nach Verfolgungen und Vertreibungen die Toten oftmals nicht bestattet, die Gräber der Angehörigen nicht mehr besucht werden konnten.

Das Wiener Memorbuch der Fürther Klaus-Synagoge, das das Jüdische Museum Franken in Fürth 1998 aus einer Haushaltsauflösung in Nürnberg erwerben konnte, war 1633 in Wien entstanden und dort bis 1670 in Verwendung. Als Kaiser Leopold I. die Vertreibung der Juden aus Wien verfügte, gelangte die Handschrift mit einer der vertriebenen Familien, den ursprünglich auch aus Franken stammenden Fränkels, nach Fürth. Der Mitte des 17. Jahrhunderts in Wien geborenen Bärmann Fränkel, der in Schnaittach und Fürth als ansbachischer Landesrabbiner tätig war, stiftete 1708, im Jahr seines Todes, die Fürther Klaus-Synagoge, in der die Einträge des Memorbuchs dann wieder aufgenommen und bis ins Jahr 1932 weitergeführt wurden. Lange war man davon ausgegangen, das prachtvoll illustrierte Buch wäre bei der Zerstörung der Klaus-Synagoge in der Pogromnacht verbrannt.

Ein Museum – drei Standorte

Beim Jüdischen Museum Franken handelt es sich wie gesagt um drei Museen. Sie alle verbindet die Tatsache, dass sie in historischen Baudenkmälern untergebracht sind, in Häusern, die eine besondere jüdische Vergangenheit haben. In Fürth ist dies ein Wohnhaus, in dem die unterschiedlichsten Epochen erlebbar sind, das im Keller ein jüdisches Ritualbad und im hinteren Bereich eine intakte Laubhütte aufweist. Hier lässt sich sehr gut nachvollziehen, wie jüdischer Alltag im städtisch geprägten Fürth des 17. und 18. Jahrhundert funktioniert hat. In Schnaittach, wo der Fokus auf ländliches jüdisches Leben gelegt ist, ist das Museum in einem denkmalgeschützten Gebäudekomplex untergebracht, das aus einer Synagoge – mit Männer- und Frauenschul‘ – und einem Rabbiner- und Vorsängerhaus besteht. In Schwabach schließlich war in einem Wohnhaus eine private Laubhütte mit einzigartigen Wandmalereien aus spätbarocker Zeit entdeckt worden. Das Besondere ist hier, dass in der Synagogengasse noch das ursprüngliche Stadtbild erhalten ist – die Synagoge, das Rabbinerhaus, die Talmudschule und dazu auch viele Häuser, in denen Juden um die Synagoge herum gelebt hatten.

Fürth: Eine „klaffende Wunde“

Wie das Zentrum jüdischen Lebens in Fürth aussah, ist heute leider nicht erlebbar. Die Synagogen (die Altschul‘, die Neuschul‘, die Klaus-Synagoge), die Talmudschulen und die dazugehörigen Gebäude rund um den „Schulhof“ fielen allesamt den Verwüstungen während der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zum Opfer und sind nur noch auf wenigen Stichen und Fotografien überliefert. Die Museumsleiterin betont deshalb auch: „Die jüdische Geschichte Fürths ist besonders. Es gibt keinen Ort, an dem man diese heute noch spürt und das ist eine klaffende Wunde.

Von daher ist es auch schwierig zu begreifen, wie wichtig Fürth für die jüdische Bevölkerung der frühen Neuzeit war. Wenn es dieses Areal noch gäbe, an dem vier Beteinrichtungen standen, Fürths berühmteste Talmudschule, die Bibliothek, das Rabbinerhaus, die gesamte Gemeindekanzleien-Verwaltung, würde dieses heute touristisch überrollt werden. Denn dann wäre für jeden nachvollziehbar, warum Fürth zum Beginn der Neuzeit solch ein bedeutendes jüdisches Zentrum war.“

Quelle: Stadtmagazin

Das Jüdische Museum Franken in Fürth ist in einem historischen Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert situiert, das noch heute mit seinem jüdischen Ritualbad und seiner Laubhütte ein beeindruckendes Zeugnis fränkisch-jüdischer Kultur ist. Das Jüdische Museum stellt die Geschichte der Juden in Fürth und Franken in einem Spannungsfeld zwischen Heimat und Exil, Tradition und Anpassung, Vernichtung und Neubeginn dar.

In einer teils chronologischen, teils thematischen Anordnung spannen 20 Themenstationen den Bogen von jüdischer Religiosität bis hin zum Alltagsleben, vom Mittelalter über Neuzeit, Emanzipationszeit, Bürgertum, Weimarer Republik, Nationalsozialismus und Nachkriegszeit bis in die unmittelbare Gegenwart jüdischen Lebens. Ein zweiter Dauerausstellungsbereich thematisiert das religiöse Leben als Wechselspiel zwischen Erinnerung und Ritual in seiner spezifischen fränkischen Ausprägung. Wechselausstellungen werden jährlich im Alt- und Neubau präsentiert.

Schnaittach: Gebäudeensemble mit ehemaliger Synagoge

In Schnaittach besteht mit dem Gebäudekomplex der 1570 erbauten und 1735 erweiterten Synagoge, dem Ritualbad sowie dem Rabbiner- und Vorsängerhaus ein in dieser Art deutschlandweit einmaliges Ensemble. Es findet ideale Ergänzung durch die im Heimatmuseum Schnaittach erhaltenen Kult- und Ritualobjekte und zahlreiche private „Erinnerungsstücke“.

In seiner Dauerausstellung präsentiert das Museum den bedeutendsten Bestand an Sachzeugnissen jüdischer Landkultur in Süddeutschland. Sie umfasst nicht nur Gegenstände des religiösen Rituals, sondern auch zahlreiche Alltagsgegenstände der jüdischen Landgemeinde, der „Medinat Aschpah“ – der Verwaltungsgemeinschaft der jüdischen Gemeinden in Ottensoos, Schnaittach, Forth und Hüttenbach. Im selben Gebäude befindet sich auch das Heimatmuseum Schnaittach.

Schwabach: Die Laubhütte

Im November 2000 wurde im Anwesen Synagogengasse 10 in Schwabach eine historische Sukka (Laubhütte) entdeckt, die aufgrund ihres Erhaltungszustands ein herausragendes Baudenkmal deutsch-jüdischen Kulturerbes darstellt. Figürliche und florale Dekorationsmalereien an den Wänden und eine intakte Kassettendecke, die der frühere Hausbesitzer Moses Löw Koppel Ende des 18. Jahrhunderts einrichten ließ, wurden im Rahmen von Sanierungsarbeiten entdeckt. Nur drei „in situ“ erhaltene Laubhütten in Bayern sind heute bekannt. Die Schwabacher Laubhütte ist dabei die einzige, die solch eine symbolreiche Wandmalerei aufweist.

Quelle: Jüdisches Museum

Anschriften der Museen

Öffnungszeiten der Museen

(während der Covid-19 Pandemie)

geschlossen: Jom Kippur, 24./25./31.12. und 1.1.

Eintritt

JMF Fürth: 6 € / 3 € erm. / 8 € Kombiticket

JMF Schnaittach: 5 € / 3 € erm.

JMF Schwabach: 5 € / 3 € erm.

Mehr aus dieser Kategorie