Artwork HerzArtwork Hühnchen mit Feder
Historische Anklagebank
Quelle: Stadtmagazin

Der Lieblingsort der Museumsmacherin: Schwurgerichtssaal 600

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Sicherlich das größte „Lieblingsstück“ aller Nürnberger Museumsmacher präsentiert in dieser Ausgabe Henrike Claussen, die Leiterin des Memorium Nürnberger Prozesse an der Fürther Straße. Ihr Lieblingsstück ist nämlich nichts Geringeres als der Schwurgerichtssaal 600, das Zentrum des Memorium Nürnberger Prozesse.

Der 240 Quadratmeter große Saal kann auf eine ausgesprochen abwechslungsreiche Vergangenheit zurückblicken. Im September 1916 vom letzten bayerischen König Ludwig III. eingeweiht, folgten die bewegten Jahre der Weimarer Republik. Zur Zeit der Nationalsozialistischen Diktatur fanden im Saal dann sowohl die Verhandlungen des Landgerichts als auch politische Sondergerichtsverhandlungen statt.

Die Nürnberger Prozesse

Nach Kriegsende verhandelte an gleicher Stelle der eigens geschaffene Internationale Militärgerichtshof. Vom 20. November 1945 an saß dieser über die führenden Köpfe des „Dritten Reichs“ zu Gericht. Erstmals in der Geschichte mussten sich somit Macht- und Befehlshaber eines Staates in einem rechtsstaatlichen Gerichtsverfahren für ihre Taten verantworten. Nach knapp einem Jahr, am 1. Oktober 1946, endete der Prozess mit 22 Urteilen.

Quelle: National Archives College Park

Während dieser erste Prozess noch von den vier Siegermächten, den USA, der UdSSR, England und Frankreich, geführt wurde, wurden zwölf weitere Verfahren, in denen sich zwischen September 1946 und April 1949  weitere Funktionsträger des NS-Staats (darunter Ärzte, Juristen, Militärs und Vertreter aus der Wirtschaft) verantworten mussten, ausschließlich vor US-amerikanischen Militärtribunalen abgehalten. Noch lange Jahre leiteten in dem Saal amerikanische Richter die Verfahren. Hier tagte die Berufungskammer des amerikanischen Rückerstattungsgerichts, ehe der Saal 600 im Jahr 1961 an die bayerische Justiz zurückgegeben wurde und sein heutiges Gesicht erhielt.

Quelle: National Archives College Park

Rechtsstaat und Rechtsbeugung

Aufsehenerregende Verfahren wie der Beleidigungsprozess, den der liberale Nürnberger Oberbürgermeister Hermann Luppe im Jahr 1925 gegen den späteren „Frankenführer“ Julius Streicher führte, der Prozess gegen den jüdischen Kaufmann Leo Katzenberger, in dem dieser 1942 wegen „Rassenschande“ zum Tode verurteilt wurde, oder auch das Strafverfahren gegen Karl-Heinz Hoffmann, den Gründer der „Wehrsportgruppe Hoffmann“, prägen die mehr als 100-jährige Geschichte des Gerichtssaals.

Bis heute finden in dem Saal Gerichtsverfahren statt. Nach mehr als 100 Jahren ändert sich das in diesem Tagen. Denn von März an werden in Saal 600 keine Prozesse mehr geführt. Damit wird der Saal erstmals vollständig von seinem ursprünglichen Zweck als Gerichtsort entkoppelt und ist „nur“ noch ein museal aufgearbeiteter Erinnerungsort.

Ein neues Kapitel

Dies bringt auch eine Neugestaltung des gesamten Memoriums mit sich, in deren Zuge die Internationale Akademie Nürnberger Prinzipien, die sich der Förderung des Völkerstrafrechts und der Menschenrechte verschrieben hat, Räume im Erdgeschoss beziehen wird. Im ersten Obergeschoss entstehen dann Büros und Seminarräume, während sich die Ausstellungsfläche rund um den Saal 600 von derzeit 650 auf 1.250 Quadratmeter nahezu verdoppelt. Die Ausstellung beschäftigt sich mit dem Nürnberger Prozessen, aber auch mit dem „Erbe von Nürnberg“, der völkerstrafrechtlichen Gerichtsbarkeit, die 2002 zur Gründung des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag führte.

Quelle: Stadtmagazin

Für den Saal selbst ist eine multimediale Aufwertung geplant. So soll bereits im Jahr 2022 eine halbtransparente Leinwand in den Saal eingezogen werden, auf der die Besucher des Memoriums – fast 80 Prozent von ihnen kommen aus dem Ausland – ein Stück Geschichte erleben können. Eine – teilweise – Wiederherstellung des historischen Zustandes ist nicht geplant, nicht zuletzt, weil die Originalausstattung von einigen wenigen Stücken abgesehen, verlorengegangen ist.

Quelle: Stadtmagazin

Memorium Nürnberger Prozesse

Bärenschanzstraße 72 • 90429 Nürnberg

Öffnungszeiten:

Mi – Mo: 10 bis 18 Uhr

(ab 1. April: Mo, Mi – Fr: 9 bis 18 Uhr, Sa/So: 10 bis 18 Uhr) 

Eintritt:

Erwachsene: 6 Euro

Ermäßigte und Inhaber des Nürnberg Passes: 1,50

1 (Groß-)Elternteil mit eigenen (Enkel-)Kindern oder 1 Erwachsener mit bis zu 3 Kindern: 6,50

2 (Groß-)Elternteile mit eigenen (Enkel-)Kindern oder 2 Erwachsene mit bis zu 3 Kindern: 12,50

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