Artwork mit Schmuck
France Delon bei einem Auftritt
Quelle: Frank Conrady

Die Verwandlung von Frank in France

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Der Nürnberger Frank Conrady ist Deutschlands ältester Travestie-Entertainer. Wir sprachen mit ihn über das Spiel mit Geschlechterrollen und die Lust am Verkleiden.

Wer Frank Conrady in Nürnberg auf der Straße begegnet – und das ist nicht unwahrscheinlich, da er mitten in der Stadt wohnt –, der weiß nicht, dass er es mit einer echten Berühmtheit zu tun hat. In seiner Bühnenrolle als Frace Delon, mit aufwendigem Make-up, Perücke und Kostüm, ist Conrady einer der bekanntesten und mit knapp 70 Jahren der älteste Travestie-Entertainer Deutschland. Wir haben Frank in seiner Wohnung in der Nürnberger Innenstadt getroffen und mit ihm über 52 Jahre auf der Bühne und über das nach wie vor reizvolle Spiel mit den Geschlechterrollen gesprochen.

In Kontakt mit Bühne und Publikum kam Frank, der mit sieben Jahren von der Lüneburger Heide nach Köln umzog, bereits sehr früh. Zu dieser Zeit war ein Leben als Entertainer aber noch ein ganzes Stückweit entfernt. Also entschloss er sich zunächst für eine gutbürgerliche Ausbildung zum Möbelkaufmann/Inneneinrichtung. Anschließend schulte er zum Hotelkaufmann um. Nachts ging es in die Clubs zum tanzen und singen.

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Weitere Informationen

Bei dieser Gelegenheit hat Frank dann auch Leute aus dem Travestie-Geschäft kennengelernt. So sprach ihn seine Freundin Coco an, ob er nicht den männlichen Part bei einem Duo-Auftritt übernehmen wolle. Immerhin könne er, falls es ihn nicht gefällt, immer noch nach einem Jahr wieder zu seinem alten Leben zurückkehren. Frank schlief eine Nacht über diesen Vorschlag, ging am nächsten Tag ins Büro, setzte sich an seine Schreibmaschine – und schrieb seine Kündigung.

Bei seinen ersten Auftritten spielte Frank noch den männlichen Part. Im Rahmen eines Gastspiels in einem großen Hamburger Travestie-Kabarett erklärte ihm dessen Chef, dass das Publikum hier „Männer in Frauenkleidern“ sehen wolle, Sänger und Tänzer könnten sie sich auch im Fernsehen angucken. So schlüpfte Frank erstmals in die Frauenrolle und stellte schnell fest, dass er in dieser Verkleidung viel lustiger, viel frecher und viel witziger sein kann als im Anzug.

Quelle: Joseph Kuerschner

Über Travestie-Kunst

Dass Künstler in die Rolle des jeweils anderen Geschlechts schlüpfen ist alles andere als ein moderner Trend. Schon im antiken griechischen Theater wurden regelmäßig weibliche Figuren von männlichen Künstlern gespielt. Generell kannte das griechisches Theater keine weiblichen Schauspieler, so dass jede Rolle von Männern besetzt werden musste.

Erste Auftritte als Damenimitator

In dieser Zeit, wir schreiben die späten sechziger Jahre, hatte Travestie noch nicht den Stellenwert, den sie heutzutage hat. In den Städten war das nicht das Problem, auf dem Land allerdings kam es öfter zu Zwischenfällen. So zum Beispiel als Frank mit ‚Die Herren Damen laden ein‘ auf Tour war. Im Rahmen der Tour wurden sie auch in Dorfdiscos vermittelt. In Cham, in der Oberpfalz, haben die Leute dann schon mal mit Maßkrügen nach ihnen geschmissen. Da mussten sie sich auch mal kurzfristig ducken.

Frank Konrady vor der Verwandlung
Quelle: Stadtmagazin

Ich bezeichne mich selbst gerne als Damenimitator. Das ist der gute, alte Begriff, den es schon vor dem 2. Weltkrieg gab. Als wir das Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wieder angefangen haben, war der Begriff dann doch ein bisschen zu hausbacken und so hat sich die Bezeichnung Travestiekünstler durchgesetzt.

Frank Conrady

Noch lange, bis in die frühen 90er Jahre hinein, irritierten Künstler wie das TV-bekannte Travestie-Duo ‚Mary & Gordy‘, Ernie Reinhard alias Lilo Wanders oder eben Frank Conrady allein durch ihr So- oder eben Anders-Sein viele Zeitgenossen. Die negativen Reaktionen kamen dabei hauptsächlich von Männern, die das Spiel mit den Geschlechterrollen oft im rein sexuellen Kontext sehen – nach dem Motto ‚Die sind doch alle homosexuell‘. Und das durfte in deren Augen nicht sein.

Der Weg nach Nürnberg

Nach Nürnberg kam Frank 1976 durch ein längerfristiges Engagement im ‚Südquick‘, einer Bar in der Peter-Heinlein-Straße. Zwei Jahre später wechselte er dann mit Roland Müller, dem Besitzer des ‚Südquick‘, ins von Müller neueröffnete ‚Paradies‘. Das ‚Paradies‘, das sich in den Anfangsjahren schon so mancher Anfeindung ausgesetzt sah, ist längst eine Institution in der Travestie-Szene. Nachdem das ‚Chez Nous‘ in Berlin schließen musste, ist das ‚Paradies‘ nach dem ‚Pulverfass‘ in Hamburg mittlerweile das zweitälteste Travestie-Kabarett Deutschlands.

Das Paradies gibt es jetzt 43 Jahre. In der Anfangszeit haben sich die Leute noch umgeschaut, bevor sie hineingingen. Es konnte ja sein, dass sie von einem Nachbarn gesehen wurden. Heute ist diese Hemmschwelle zurückgegangen. Heute sind wir ein Stück aus dem großen Show-Kuchen, neben Oper, Schauspielhaus oder Komödie.

Frank Conrady

Frank Konrady nach der Verwandlung
Quelle: Frank Conrady

Auch wenn Frank vor seinem ersten Engagement in der Noris von Nürnberg so gut wie nichts wusste, ist er dann doch hier „hängen geblieben“. Nürnberg ist seine Stadt und seit 45 Jahren meine Homebase. Von dieser Homebase aus ging und geht Frank seither im gesamten deutschsprachigen Raum auf Tour. Doch damit nicht genug. Seit Jahrzehnten ist er auch – wenn man so will – weltweit unterwegs.

Seit 28 Jahren arbeitet er für AIDA-Cruises und hat in Rahmen der Kreuzfahrten, bei denen er sein Showprogramm präsentierte, zwei Drittel der Welt gesehen. Für ihn ein persönliches Highlight, da er nicht nur alles sehen durfte, Spaß hatte und dafür noch Geld bekommen hat.

Doch egal ob im Nürnberger ‚Paradies‘ oder irgendwo auf den Weltmeeren, an Franks Lebensmotto ändert sich nichts – und das soll auch so bleiben, wenn er jetzt nach den Einschränkungen der letzten eineinhalb Jahre wieder durchstartet:

Das wichtigste für ihn ist einfach Menschen zu unterhalten, glücklich zu machen und zum Lachen zu bringen. Für ihn ist das seine Berufung.

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