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Picknickdecke auf grüner Wiese
Quelle: Stadtmagazin

Picknick mit dem Intendanten

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Ganz im „Klassik Open Air Stil“ haben wir – Prof. Lucius A. Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker, und ich – uns im Luitpoldhain auf ein gemütliches Picknick getroffen und frei bei einem Glas Wein und ein paar Leckereien geplauscht. Dabei erfuhr ich viel über den Menschen hinter dem „Job“, und eines wurde ganz klar: Lucius Hemmer lebt durch und durch die Musik und hat das, wovon viele träumen: seine Passion, sein Hobby zum Beruf gemacht.

Sie sind der Intendant der Nürnberger Symphoniker. Können Sie in kurzen Worten ihre Aufgabe beschreiben?

Man kann sich vorstellen, ein Intendant sitzt vor dem großen Blatt mit 365 leeren, weißen Tagen und macht sich Gedanken, welches Konzert mit welchen Inhalten und welchen Künstlern sollte man an welchem Tag für welches Publikum spielen. Wenn man diese Fragen qualifiziert beantworten kann und das sogar gut macht, dann hat man ein volles Haus – und das ist natürlich der Sinn der ganzen Sache hier.

In meiner Brust schlagen dabei zwei Herzen: das des Künstlers, des Musikers und das des Betriebswirts und die ringen ein bisschen miteinander. Was ist wichtiger: Die Auswirkung, die Knete oder die Kunst? Die Mischung macht es am Ende dann, und die macht‘s auch spannend und – wenn wir Glück haben – auch erfolgreich. Mit wenig Geld viel rauszuholen ist dabei natürlich eine noch größere Herausforderung als mit ganz viel Geld was herauszuholen.

Quelle: Stadtmagazin

Sie sind jetzt vor 18 Jahren des Berufs wegen nach Nürnberg gekommen. Ist Nürnberg jetzt auch ihre Heimat geworden?

Ich bin damals mit meiner Frau von Hannover nach Nürnberg gekommen. Unsere Kinder sind hier geboren – in Fürth – und wir sind seither hier heimisch geworden. Wir haben unheimlich viele nette Leute kennengelernt und fühlen uns hier sehr, sehr wohl.

Dieses Heimisch-Werden lief in mehreren Etappen ab. Am Anfang hatten wir noch keine Kinder. In diesen vier Jahren hatte ich in erster Linie berufliche Kontakte und Freunde. Ich hatte es in dieser Zeit auch sehr intensiv verfolgt, überall hinzugehen und Leute kennenzulernen. Dann kam durch die Kinder natürlich die ganzen Kindergarten-Eltern und die Schuleltern dazu, und ich muss wirklich sagen, dass auf diese Weise ein ganz toller, großer, unglaublich netter Freundeskreis zusammenkam.

Es ist also nicht nur Ihr Beruf, der sie hier hält, Nürnberg ist wirklich Ihre Heimat geworden.

Nürnberg ist meine zweite Heimat geworden – obwohl ich natürlich in Hannover immer noch viele Freunde aus der Schulzeit habe und einer meiner Brüder immer noch dort wohnt. Mittlerweile sind sogar meine Eltern hier in die Region gezogen – nach Schwabach –, um noch ein bisschen mehr Nähe zu der Familie und den Kindern zu haben. 

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In meiner Brust schlagen zwei Herzen: das des Künstlers, des Musikers und das des Betriebswirts und die ringen ein bisschen miteinander. 

Lucius A. Hemmer

Haben Sie hier einen Lieblingsort, der Sie inspiriert und an dem Sie vielleicht auch mal wieder Kraft tanken können?

Ja, bei uns zu Hause. Ich bin unglaublich gerne bei uns im Garten. Wir wohnen im Süden, da ist es unendlich ruhig. Bis vor kurzem hatten wir noch nicht mal eine Straßenbeleuchtung. Unsere Kinder sind morgens mit sechs, sieben, acht Jahren mit der umgebundenen Taschenlampe morgens zur Schule gelaufen. Wir sollen im kommenden Jahr sogar eine richtige Straße bekommen – nicht wie bisher halb geschottert, halb geteert.

Teilen Ihre zwei Töchter die Leidenschaft zur Musik?

Ja, sie teilen die Leidenschaft zur Musik, aber zu einer ganz anderen Art von Musik. Wie – glaube ich – hundert Prozent der Kinder hören sie sehr gerne Musik, aber keine klassische Musik. Sie haben beide mal klassische Instrumente gespielt, ein bisschen Klavier ein bisschen Cello, sie haben auch im Chor gesungen aber ihre Leidenschaften liegen ganz woanders und das finde ich sehr gut und möchte ich auch gerne unterstützen.

Die Große ist eine sehr begabte und begeisterte Springreiterin – das ist ihre große Leidenschaft und das macht sie auch extrem gut. Die Kleine, die jetzt zwölf ist, ist eine ausgesprochen talentierte und engagierte Fußballerin und spielt inzwischen bei der SpVgg Greuther Fürth.

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Apropos ‚Kinder‘: Sie stehen von Kindesbeinen an auf der Bühne?

Ich war zehn Jahre lange Kinderdarsteller am Staatstheater in Hannover. Ich bin da mehr oder weniger durch Zufall hingekommen. Meine Eltern haben damals zu mir gesagt: ,Die suchen da einen Kinderdarsteller, geh doch mal hin‘. Ich bin dann hingegangen und musste den kleinen Wolfsohn aus dem ,Biberpelz‘ spielen. Offenbar habe ich das ganz überzeugend gemacht. Ich fand es auch sehr witzig, dass ich in dieser Rolle berlinerisch sprechen musste, sonst spricht man bei uns in Hannover ja immer Hochdeutsch. Im Lauf der Jahre kamen dann an die zehn weitere Theaterstücke dazu. 

Was hat Sie denn am Theaterspielen besonders begeistert?

Zum einen fand ich den Geruch im Theater ungemein faszinierend – diese besondere Mischung aus Patina, Schminke, Bühnenqualm und was da alles so herumwabert. Dann war da dieses besondere Gefühl, auf der Bühne bestrahlt zu werden, obwohl du das Publikum ja fast gar nicht siehst, wenn du auf der Bühne stehst. Und dann – ich bin da auch ganz ehrlich – fand ich es als Kind schon cool, wenn ich in der zweiten Klasse sagen konnte: ‚Ich habe jetzt keine Zeit mehr für den Unterricht. Jetzt kommt gleich das Taxi. Ich muss ins Theater fahren.‘ Das war schon witzig.

Wie kam es dann dazu, dass Sie eben nicht bei der Schauspielerei geblieben sind, sondern sich für die Musik entschieden haben? Wann hat sich das dann gedreht oder lief das schon immer so parallel?

Ich habe ja erst mit Elf angefangen, Fagott zu lernen und hab das offenbar ganz begabt gemacht. Das Schöne an der Musik ist, gerade wenn man ein Orchesterinstrument spielt: Man macht es immer gemeinsam. Dieses kollektive Machen, das Gestalten, das sich gemeinschaftlich daran erfreuen, mit allen gemeinsam etwas zum Gelingen beizutragen – das fand ich immer toll. Und wenn man dann wie ich das Glück hat, in diese Förderschiene zu kommen – ‚Niedersächsisches Jugendsymphonieorchester‘, ‚Bundesjugendorchester‘, ‚Jugend musiziert‘… – und das alles auf tollem Niveau machen kann, dann ist das schon faszinierend.

Wie kam es zum Fagott? Spielten Ihre Eltern da eine Rolle?

Das ist die reine Verfügbarkeit des Lehrers an der Musikschule gewesen. Streicher fand ich irgendwie doof, aber Blasinstrumente fand ich wirklich gut. 

Das zu verstehen, zu verstehen, wie das Publikum funktioniert, wie die Menschen denken, warum sie ins Konzert gehen, oder viel wichtiger: Warum sie nicht ins Konzert gehen, was sie begeistern könnte. All die Dinge mit den Inhalten zusammenzubringen und da irgendwie ein sinnvolles Paket daraus zu schnüren, das finde ich faszinierend. Und wenn man das selber machen darf, wenn man selbst bestimmen darf – dann ist das eigentlich ein Traumberuf.

Sie spielen selbst ein Instrument, sind Dirigent und Intendant. Wo fühlen sich da eigentlich am wohlsten oder erfüllt beides zusammen ihr Leben?

In jeden Fall beides zusammen – die Musik und das Gestalten. Dieses ‚Management‘ würde ich schon wörtlich sehen: Man nimmt etwas in die Hand und gestaltet es.  Wie ich am Anfang gesagt habe, man sitzt vorm leeren Kalender und hat einen Tag offen. Man kann jetzt sagen, da macht man ein Konzert, aber warum eben? Welchen Sinn könnte es geben? 

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Und das Dirigieren bietet dann die Möglichkeit, selbst ein aktiver Teil davon zu sein.

…selbst etwas zu machen. Absolut richtig. Dirigieren, mache ich aber tatsächlich nur im Ausland. Ich werde immer gefragt, warum das so ist. Das ist völlig klar – wenn ich hier in Nürnberg im Orchester darüber entscheiden muss, welche Dirigent gut und schlecht ist, dann wäre ich ja doch mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn ich mich jetzt selbst dieser Diskussion aussetzen würde und dann aber nicht damit leben mag. Ich dirigiere mit großer, großer Freude, mit großer Leidenschaft, aber – wie gesagt – das ist mehr oder weniger eine Nebenbeschäftigung.

Die Meistersingerhalle ist ihr Stammhaus, daneben gibt es aber auch die ganzen Open-Air-Konzerte im Serenadenhof oder beim Klassik-Open-Air mit weitaus mehr Zuhörern. Was macht denn da den Unterschied aus?

Es ist unglaublich wichtig, dass wir selber als Veranstalter verstehen, welche Chancen sich für uns daraus ergeben, für ein breites Publikum zu spielen und aus unserer Wohlfühlzone herauszugehen. Grundsätzlich bemühe ich mich darum, dass wir unser Angebot mit den Nürnberger Symphonikern ganz offensiv in die Breite entwickeln. Wenn wir ein Orchester sind, das aus Steuergeldern bezahlt wird, haben wir auch die Verpflichtung, ein Angebot für möglichst viele Menschen zu machen. Das Klassik-Open-Air ist deswegen ein Faszinosum, weil es so unglaublich unterschiedliche Menschen anspricht, die trotzdem beieinander sind und das gemeinsam genießen. 

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Ich kann da eine Geschichte zu erzählen: Vor vielleicht zehn Jahren war ich bei Metro einkaufen und habe dann an einer Kasse die Einkaufskarte vorgezeigt: ‚Nürnberger Symphoniker‘. Auf die Frage der Kassenkraft, was ich da mache, habe ich es ihr erzählt. Daraufhin sagte sie mir: ‚Ja ich freue mich heute schon auf das nächste Klassik-Open-Air‘ – das war an Weihnachten. In solchen Momenten merkt man schon, dass die Stadt Nürnberg eine Menge richtig gemacht hat und dass auch die Orchester, die beim Klassik-Open-Air spielen, vor allem die Symphoniker die einen wichtigen Teil dazu beitragen, unglaublich viel richtig gemacht haben.

Die Meistersingerhalle strahlt leider nicht den Charme und die notwendige Faszination aus.

Die Meistersingerhalle ist eine Stadthalle aus den 60er Jahren. Da würde man sich wünschen, nochmal in die Köpfe der Politik zu bekommen, dass wir eine große Chance vertun, wenn wir die geplante Konzerthalle opfern und das Geld ausschließlich ins Opernhaus stecken. Das hielte ich für kurzsichtig, weil ein Konzerthaus eine unglaubliche Breite in diversen Publikumsschichten ansprechen kann. Ein Konzerthaus ist ein Ausgeh-Ort für alle, die Livemusik lieben – sei es Orchester, sei es Chor, sei es Jazz, unplugged oder Festival. Und da bin ich überzeugt, dass eine Stadt wie Nürnberg einen solchen Ausgeh-Ort dringendst nötig hat.

Die Leute, die zum Klassik-Open-Air gehen, gehen heute eigentlich nicht ins Opernhaus, weil dieses die Funktion als Begegnungsort oder Versammlungsort nicht gut erfüllt. Die Meistersingerhalle ist eben so, wie sie ist: aus den Sechzigern. Das wird man nicht mehr ändern können. Daher wird man diejenigen, die in Zukunft in Konzerte gehen sollen – die Generation, die jetzt 20 ist – nur mit ganz, ganz großen Anstrengungen in die Meistersingerhalle kriegen, wenn wir Pech haben, gar nicht. Da haben wir ein Problem und da hilft auch kein saniertes Opernhaus.

Bei Ihnen klingt heraus, dass Sie Beruf und Hobby ideal miteinander verbinden. Aber da muss es doch noch mehr geben… 

Generell treffe ich mich wahnsinnig gerne mit Menschen, das ist für mich eine der schönsten Freizeitveranstaltungen. Ich gehe sehr, sehr gern ins Museum, gehe sehr gerne aber auch zu anderen Veranstaltungen. Ich bin unglaublich gern mit der Familie zusammen und gehe gern mit meiner Frau und unserem Hund spazieren. Insofern kann ich wirklich sagen, dass ich in der in der glücklichen Situation bin, Privates oder private Vorlieben, Dinge die ich schätze, die ich liebe, die ich eigentlich auch gerne mache, mit meinem Beruf verbinden zu können. 

Die flotten 10

Bier oder Wein?

Ganz eindeutig Wein. Und zwar im Sommer Weißwein und im Winter Rotwein.

Laut oder leise? 

Leise 

Stadt oder Land? 

Beides! Wir wohnen am Stadtrand – man ist im Grünen, aber auch schnell in der Stadt, ohne die ich mich als Erlebnis-Typ schnell langweilen würde.

Kino oder Theater?

Kino, nee doch Theater…

Kopf oder Bauch?

Kopf

Süß oder sauer?

Süß! Kein gutes Abendessen ohne Nachspeise.

Strukturiert oder Chaos?

Strukturiert

Meer oder Berge?

Meer! Ich bin der absolute Meer-Mensch und freue mich über den Weitblick, die frische, gesunde Luft, den Geruch.

Selbst kochen oder Essengehen?

Wenn ich könnte, würde ich jeden Tag zum Essen gehen.

Henne oder Ei?

Da finde ich das Ei spannender, weil das Ei ein bisschen Überraschung mit sich bringt und auch der Anfang von etwas ist.

Wenn man das Wort Intendant oder wenn man Dirigent hört, dann stellen sich die meisten Menschen einen künstlerischen Feingeist vor, der ungern handwerklich tätig ist, mal etwas am Haus renoviert oder Gartenarbeit macht. Ist das tatsächlich so oder können Sie auch mal Hand anlegen?

Also soweit es geht und soweit es meine Fähigkeiten zulassen, mach ich das schon. Wir legen zu Hause einigermaßen großen Wert darauf, dass ich, so es meine Zeit zulässt, auch mit Hand anlege und wir die anfallenden Aufgaben untereinander aufteilen. Wir haben zum Beispiel mit Freunden gemeinsam eine Kochrunde. 

Oder wenn wir Einladungen haben, dann koche ich auch zuhause und versuche mich intensiv einzubringen. Im Garten wird nur von mir der Rasen gemäht – das ist mein Hoheitsgebiet. Allerdings muss ich ganz ehrlich sagen, dass mich meine Frau schon manchmal dazu antreiben muss, im Haushalt etwas zu machen. Aber zum Glück haben wir eine Putzfrau, die uns dieses Thema schon mal abnimmt.

Wieder zurück zur Musik. Gibt es ein klassisches Werk, mit dem man Menschen, die jetzt keine so große Affinität zur klassischen Musik haben, oder beispielsweise auch Kinder für diese Musik begeistern kann?

Es gibt nicht DIE Musik, die allen gefällt. Beim Klassik-Open-Air ist das Programm immer so gestaltet, dass wir eine maximale Vielfalt haben – von klassischen Ohrenschmeichlern bis hin zur Filmmusik. Und trotzdem haben wir immer Leute, die sagen: ‚Das hat mir gefallen‘ oder ‚Das hat mir nicht gefallen‘.

Es gibt aber schon Stücke, die irgendwie alle Leute begeistern – wenn sie direkt dabei sind. Das entscheidende ist,glaube ich schon, die Live-Aufführung. Die ist das, was den Unterschied macht. Wenn ich in einem Konzert bin, dahin gegangen bin und sehe, wie sich der Solist auf der Bühne abrackert, dass es staubt und knallt und dann brennt die Geige am Ende – dann lasse ich mich davon mitreißen. Der Moment macht’s dann aus, Das gilt für den Popbereich, das gilt aber auch für uns.

Quelle: Stadtmagazin

Meine letzte Frage, die Frage nach Ihren Zukunftsplänen, kann ich mir nach diesem anregenden Gespräch eigentlich selbst beantworten: Ihren Beruf üben Sie aus bis Sie in Rente gehen!

So ist es. Ich hatte in den letzten Jahren immer wieder mal Angebote hier- oder dorthin zu gehen. Aber die Mischung dessen, was ich hier in Nürnberg machen darf, und die Zufriedenheit, die mir die Stadt bietet, hat am Ende immer gewonnen, auch wenn ich jetzt sagen muss: Bei dem Thema Absage des Konzerthaus-Neubaus hab‘ ich doch eine Sekunde überlegt ob ich weggehe – mehr als eine Sekunde. Weil ich das schon als bitteren Verlust nicht nur für unser Publikum, für unser zukünftiges Publikum, sondern auch für unsere eigene Perspektive ansehe. 

Rubrikfoto Gewinnspiel

Hinter den Kulissen der Nürnberger Symphoniker

Wolltest du schon immer mal bei den Nürnberger Symphonikern hinter die Kulissen blicken? Und dabei den Intendanten Lucius A. Hemmer persönlich kennenlernen? Dann mach bei unserem Gewinnspiel mit und erlebe einen Nachmittag mit Lucius A. Hemmer an seinem Lieblingsort: den Nürnberger Symphonikern. 20 von euch laden wir dazu ein. Schreibt uns, warum ihr dabei sein möchtet. Einsendeschluss ist der 31.12.2021. Viel Glück!

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