Volker Heißmann beim paddeln
Quelle: Stadtmagazin

Volker Heißmann: „Ich würde es wieder tun“

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Für unsere Titelstory haben wir uns mit Volker Heißmann unterhalten – über die Bühne, über das Leben und den Glauben.

Wenn du dich selbst beschreiben müsstest, welche fünf Begriffe würden dir als erstes einfallen?

Lustig, verfressen, maßlos, ehrlich und treu.

In einem Gespräch hast du von deinem doch recht bemerkenswerten ersten Auftritt im Rahmen einer Kindergarten-Aufführung berichtet. Wir war das denn damals?

Das war die Geschichte vom rollenden Pfannkuchen. Ich war der Erzähler und die Kinder mussten dann spielen, was ich erzählt hab. Ich fang also an: ‚Die Geschichte von rollenden Pfannkuchen‘ und da sehe ich den dicken Pfannkuchen. Das war eine Freundin von mir, die war wirklich dick – und plötzlich ist mir der Text nicht mehr eingefallen. Dann habe ich weitererzählt: ‚Der wird von der Kuh gefressen‘. Die Kinder haben mich erstaunt angeschaut und ich hab‘s nochmal gesagt ‚Der rollende Pfannkuchen wird von der Kuh gefressen‘ – und da war halt die Hauptrolle weg vom Fenster.

Die Leute haben sich weggeschmissen vor Lachen, weil die Kinder so komisch geschaut haben und nicht wussten, was sie machen sollten. Aber die haben dann gemacht was ich erzählt habe und haben auch ihren Spaß dran gehabt. Nach der Aufführung ist unsere Tante Grete zu mir gekommen und hat gesagt ‚Volker, das war jetzt überhaupt nicht das, was wir gelernt haben aber es war viel schöner‘. Das war für mich der ausschlaggebende Punkt, an dem ich mir gesagt habe ‚Lernen tu ich mal nichts mehr‘ und das habe ich dann wirklich so beibehalten.

Quelle: Sven Grundmann

Über Volker Heißmann

Er ist nicht nur Komediant, sondern auch Schauspieler, Sänger und Theaterdirektor. Für seine Leistungen ehrte ihn nicht nur seine Heimatstadt. So ist er nicht nur mit dem Kulturförderpreis der Stadt Fürth oder der Goldenen Bürgermedaille ausgezeichnet worden, sondern auch Kulturerbe Bayern Botschafter und Träger des Bayerischen Verdienstordens.

Dann ist das wohl keine Koketterie, wenn du auch heute noch sagst: ‚Bei mir muss man mit allem rechnen, nur nicht mit dem Text‘?

Wenn ich jetzt am Staatstheater in Nürnberg spiele, muss ich natürlich meinen Text sagen. Aber ich mache ihn mir immer mundgerecht, zumindest so, dass er nicht auswendig gelernt daherkommt, sondern so wie ich ihn sagen würde. So mach ich das auch bei den Texten, wenn wir in der Comödie eine Boulevardkomödie spielen.

Die Sketche sind wirklich ohne Text. Da improvisieren wir jeden Abend völlig drauf los, das kommt dann so aus dem Bauch heraus.

Gibt es so den einen Moment, an dem du erkannt hast, dass du dein Leben auf der Bühne verbringen willst oder musst?

Jeden Abend – und das war von Anfang an so, schon als Schüler. Ich kann ja sonst nichts. Ich bin kein guter Sportler, ich bin nicht übermäßig gescheit aber da, auf der Bühne, habe ich etwas gekonnt was die anderen nicht so konnten. Da habe ich als Schüler meine Bestätigung bekommen. Ich war ja auch nicht der Schönste, dass mir die Mädels damals nachgerannt wären, aber über die Bühne da sind dann die Mädels gekommen: ‚Ach, du singst so schön!‘

Woher bekommst du die Anregungen für deine Bühnensketche?

Da gehst du einfach durch die Stadt. Auch wenn wir auf Tournee sind, dann gehen der Martin (Rassau) und ich nachmittags durch die Stadt, schlendern über den Markt oder setzen uns in ein Café und hören den Leuten zu, was sie gerade erzählen.

Schreibt man sich sowas dann auf?

Nein, die guten Sachen merkt man sich und die Sachen, die man sich nicht merken kann, die sind auch nicht gut.

Bundesweit bekannt bist du – zusammen mit Martin Rassau – in der Rolle der Witwen „Waltraud und Mariechen“. Wie kam es eigentlich zu diesen Rollen?

In Nürnberg hatten wir vor 25 oder 30 Jahren die Kleine Komödie im Mautkeller. Nachmittag vor der Vorstellung gingen Martin und ich oft ins Café Central. Da sind wir immer gesessen und da waren diese alten Omas – mit ihren Hütle auf – beim Kaffeekränzchen. Das waren jede Woche die gleichen, die erzählten auch immer das gleiche und irgendwann, als wir ein neues Programm gemacht haben, haben wir gesagt: ‚Wir spielen mal zwei von diesen alten Damen.‘

Ist es ein Vorteil, wenn sich Volker Heißmann hinter einer Kunstfigur wie Mariechen verstecken kann? Wird er dadurch eine andere Persönlichkeit?

Ja freilich. Als Volker bin ich eher schüchtern, aber wenn ich hier als Mariechen sitzen würde, würde ich sofort einen Spruch raushauen, sobald jemand vorbeiläuft. Wenn wir als Waltraud und Mariechen durch die Stadt gehen oder einen Film drehen, dann ist das natürlich eine tolle Verkleidung, dann darfst du alles sagen. Das ist auch in Veitshöchheim (bei ‚Fastnacht in Franken‘) so. Wenn ich da als Mariechen an Markus Söder vorbeigehe, dann kann ich ihm ganz andere Sachen sagen, als wenn ich als Volker Heißmann vorbeikomme. Im Kostüm hat man Narrenfreiheit.

Hat das Publikum andernorts einen anderen Humor als wir hier in Franken?

Die Stimmung ist überall anders. Wenn die Leute in Franken lachen und am Schluss klatschen, weißt du, dass du in Hessen Standing Ovations und Extase hast. Das fränkische Publikum ist das schwierigste Publikum in ganz Deutschland. In Hamburg lachen sie leichter, in Oberbayern lachen sie leichter – in Franken da musst du echt auspacken. Deshalb haben wir‘s so leicht, weil wir es gelernt haben, damit umzugehen.

Man kann also nicht sagen, dass ihr einen Heimvorteil habt.

Nein, wir haben da eher einen Heimnachteil.

Quelle: Stadtmagazin

Gibt es einen Auftritt, der dir besonders im Gedächtnis geblieben ist?

Wir waren auf Teneriffa engagiert, im Rahmen der deutschen Wochen im Rio Clubhotel. Wir kamen an, da kam auch schon die Animateurin und fragte uns, was wir machen und wir‘s machen. Dann fragte sie uns noch, ob wir Südtiroler sind. Wieso? Dreiviertel der Besucher seien Italiener also 600 Italiener, hundert Spanier, fünfzig Deutsche. ‚Das sind doch deutsche Wochen. Wir sind deutsche Komiker, wir können nur Deutsch.‘ ‚Ja das ist falsch, die Deutschen kommen erst nächste Woche‘.

Wir sind trotzdem aufgetreten mit unserem Gschmarri und haben dem Publikum mit Händen und Füßen erklärt, dass wir Deutsche seien, dass wir dachten es seien nur Deutsche hier und dass wir kein italienisch könnten. ‚Aber wir machen jetzt alles was wir glauben, dass es lustig ist.‘ Die Leute haben sich weggeschmissen vor Lachen.

Selbst Menschen, die uns nicht verstehen, finden uns lustig – vielleicht noch lustiger als Leute, die uns verstehen.

Gab es eigentlich diesen einen Moment, an dem ihr so richtig durchgestartet seid?

Es gab da die Zeit, nachdem wir 1997 mit ‚Fastnacht in Franken‘ das erste Mal im Fernsehen waren und dann im darauffolgenden Jahr gleich wieder. Plötzlich haben uns die Leute nicht nur hier in Nürnberg, Fürth und Erlangen gekannt, sondern in ganz Deutschland. Das ging wirklich durch die Decke und da haben wir gespürt, dass wir den Humor treffen. Damals haben wir dann dreimal in der Olympia Halle in München gespielt vor 9.000 Leuten. Das hat vorher noch kein Komiker gemacht. Da war noch kein Otto, kein Mario Barth, kein Michael Mittermeier.

Und das war eine geile Erfahrung. Wir waren in der Olympiahalle, Tausende von Menschen. Links und rechts solche Videowände, die uns übertragen haben. Sowas hast du nur gekannt von Elton John und Joe Cocker und jetzt kommen wir zwei Debberli aus Ferdd und machen da großes Kino.

Das waren so fünf, sieben Jahre, da mussten wir nur ein Plakat in der Stadt hängen und waren ausverkauft. Da hast du nichts machen müssen. Da wollten uns die Leute zum ersten Mal live sehen, vielleicht auch ein zweites Mal. Wenn wir jetzt auf Tournee sind, haben wir so zwischen 500 und 1.500 Zuschauer – aber damit sind wir sehr zufrieden.

Hattet ihr denn nie Angst gehabt, dass das Ganze zu groß wird für euch?

Nein, nie. Es war unser Glück, dass wir nie Zweifel hatten, dass wir nie befürchtet hatten, das Ganze könnte schief gehen. Sonst hätten wir ja auch nie die Comödie finanziert. Die hat damals vier Millionen Mark gekostet und wir haben keine Sicherheit gehabt, wir haben nichts gehabt. Wenn wir heute darüber nachdenken, was alles – auch vor der Pandemie schon – schiefgehen kann, würden wir das nie mehr machen.

Quelle: Stadtmagazin

In meinem Solo-Programm habe ich ein Lied von von Udo Jürgens „Ich würde es wieder tun“ und genau das kann ich unterschreiben. Alles genauso noch einmal machen.

Volker Heißmann

Aber es hat eben funktioniert.

Wir sind damals in den kleinsten Käffern aufgetreten. Da kam es tatsächlich vor, dass Bayern 3 durchgegeben hat ‚Bitte umfahren die diesen Ort großräumig Heißmann und Rassau treten dort in der Turnhalle auf‘. Um 15 und um 21 Uhr waren da jeweils 2000 Leute. Die einen sind weggefahren, die andere sind gekommen und dann waren diese kleinen Straßen dort total verstopft.

Wenn wir damals alles gespart hätten und kein Theater gehabt hätten, dann wären wir heute stinkreich – aber nicht glücklich. Denn dann könnten wir nicht mehr spielen, wären wir weg vom Fenster. Wir hätten uns nicht weiterentwickelt, hätten nie Operette oder Musical gespielt, wären nie ins Fernsehen gekommen.

In meinem Solo-Programm habe ich ein Lied von Udo Jürgens ‚Ich würde es wieder tun‘ – und genau das kann ich unterschreiben. Alles genauso noch einmal machen.

Du bist tief verwurzelt in Fürth, du bist hier geboren, arbeitest in Fürth, bist jetzt auch noch Vizepräsident der SpVgg Fürth – hast du jemals mit dem Gedanken gespielt, woanders hinzuziehen?

Ich hab‘ noch eine zweite Heimat, das ist Wien – eine wunderschöne Stadt, da sind die Theater, da gibt es vorzügliches Essen und da habe ich auch Freunde und ein Patenkind. Abgesehen von diesen kennt mich dort fast niemand. Das ist auch schön. Da kann ich einfach mal durch die Stadt flanieren und muss mir keine Gedanken darüber machen, was ich anziehe.

Privat hört man tatsächlich nichts von dir. Liegt das daran, dass du eigentlich gar kein Privatleben hast, oder weil du Berufliches und Privatleben so strikt trennst?

Mein Privatleben, das sind meine Auftritte, meine Familie in der Comödie, die Menschen, die gerade da spielen, das ist meine Familie auf Zeit. Gegen Beziehungen habe ich mich schon vor langer Zeit entschieden, weil ich aufgrund der Tatsache, dass ich so viel unterwegs war, immer wieder Menschen verletzt habe – wir haben uns gemocht, haben uns geliebt, wussten aber gleichzeitig, dass es keinen Sinn ergibt. Das wollte ich den Frauen nicht mehr antun. Denn es tut ja noch mehr weh, wenn du jemanden verlässt, nicht weil du ihn nicht mehr liebst, sondern weil du keine Zukunft mehr siehst, weil du das Leben so nicht möchtest. Das waren ganz schreckliche Abschiede, die ich so nicht mehr erleben möchte.

Du hast in einem Gespräch einmal gesagt, dass für dich eine Bühne ebenso wie eine Kirche „Heimat“ ist. Welche Rolle spielt der Glaube in deinem Leben?

Ich bin jetzt nicht übergläubig aber ich glaube an Jesus Christus. Ich bin mir sicher, dass es da oben oder um uns herum etwas gibt, das wir nicht greifen können, das wir mit Worten nicht ausdrücken können. Vor Premieren bete ich zum Beispiel, dass ich die Menschen erreiche.

Wenn wir auf Tournee sind, gehe ich am Nachmittag immer mal in eine Kirche – 10 Minuten oder eine Viertelstunde – setz mich hinein und zünde eine Kerze an. Das ist dann Heimat für mich. Hier komme ich zur Ruhe, kann Kraft schöpfen, kann das abgeben, was mich bedrückt, kann aber auch dankbar sein, dass ich gesund bin und bei den vielen Fahrten auf unseren Tourneen unfallfrei von A nach B komme.

Hattest du diesen Glauben schon immer in dir oder gab es einen ausschlaggebenden Punkt in deinem Leben?

Ich bin in der Kirche groß geworden. Meine Kantorin hat mir beigebracht was ich kann, ich war dadurch jeden Tag im Gemeindehaus, war dann auch Mesner und habe beim Gottesdienst mitgemacht. Ich bin jetzt niemand, der Bibelstellen aufsagen kann, aber ich versuche nach den christlichen Werten zu leben und die zehn Gebote zu befolgen – dass man abgibt, dass man teilt, dass man hilfsbereit ist, wenn man Menschen sieht, denen es nicht so gut geht, dass man nicht abhebt. Wenn wir so leben würden, wenn jeder Respekt vor dem anderen hätte, dann würde es uns allen besser gehen.

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