Auf Augenhöhe mit Tieren
Petra Siebert, die in Teilzeit am Staatstheater beschäftigt ist, ist seit fünf Jahren auch als Pferdeosteopathin und Pferdephysiotherapeutin aktiv. Der ganzheitliche Ansatz, der dieser Therapieform zugrunde liegt, geht davon aus, dass der gesamte Körper miteinander zusammenhängt. Sobald ein Teilbereich nicht so funktioniert, wie es von der Natur vorgesehen ist, führt dies zu Problemen, wie zum Beispiel Schmerzen und (Bewegungs-)Einschränkungen, die dann auch an einer ganz anderen Stelle zutage treten können. Spät aber – wie sie selbst betont – nicht zu spät entschied sich Petra, bei der Tiere und insbesondere Pferde zu ihrem Leben gehören, seit sie laufen kann, für eine Ausbildung am – von der Deutschen Reiterlichen Vereinigung anerkannten – Fachzentrum für Pferdeostopathie in Schleswig-Holstein.
Tiere haben heute einen ganz anderen Stellenwert in der Gesellschaft als sie ihn früher hatten. Waren sie damals primär Arbeitstier, so sind sie heute immer mehr zu einem Familienmitglied geworden. Dies hat unter anderem auch zur Folge, dass bei ihnen die gleichen Zivilisationskrankheiten auftreten, wie bei uns Menschen – und damit stieg in den letzten Jahren auch der Bedarf an Tierosteopathen und -physiotherapeuten ganz enorm.
Über Osteopathie
Osteopathie – von altgriechisch ostéon (Knochen) und páthos (Leiden) – ist eine ganzheitliche Form der Medizin, in der Diagnostik und Behandlung mit den Händen durchgeführt werden. Vor mehr als 140 Jahren hatte der amerikanische Arzt Andrew Taylor Still nach intensiver Forschung die Prinzipien der Osteopathie entwickelt und damit eine neue Medizin begründet. Seitdem wird die Osteopathie stetig weiterentwickelt.
Jedoch konnten Studien bis heute nicht zweifelsfrei die tatsächliche Wirkung oder den Wirkungsgrad nachweisen. Konsequenterweise werden osteopathische Behandlungen für Menschen nicht von der Krankenkasse übernommen.
Problem: Schief sitzende Reiter
Auch für Petra bedeutet dies, dass sie immer häufiger kontaktiert wird: „Wenn ich von Pferdebesitzer in der näheren Umgebung angerufen werde, dann fahre ich zur Behandlung in die Ställe. Eine Erstbehandlung kann bis zu eineinhalb Stunden dauern und beginnt mit der Anamnese, bei der ich viele Fragen an die Besitzer stelle und mir das gesundheitliche Problem genau beschreiben lasse. So erhalte ich ein möglichst vollständiges Bild des aktuellen Zustandes des Pferdes. Anschließend prüfe ich nahezu jedes einzelnes Gelenk, die dazugehörige Muskulatur, Bänder und Sehen. Ich lasse das Pferd in der Bewegungsanalyse vorlaufen, überprüfe dadurch, ob es möglicherweise lahmt und lasse auch mal Reiter oder Reiterin vorreiten. Denn auch schief sitzende Reiter können in letzter Konsequenz zu Verspannungen beim Pferd führen. So bekomme ich am Ende ein ganzheitliches Gespür dafür, was der Grund für die Einschränkung ist.“
„Habe ich dann erkannt, wo die Ursache des Problems liegt, habe ich verschiedene Möglichkeiten, mit meinen Händen – sie sind mein Hauptarbeitsmittel – und mit Unterstützung sogenannter Osteopathiestäbchen, dieses zu lokalisieren und durch osteopathische Grifftechniken, Massage, Faszien-Massage oder auch durch das ‚Dry Needling‘, eine sehr wirksame Form der Trigger- oder Schmerzpunkt-Therapie, zu lösen.“
Die Pferde reagieren in der Regel sofort auf die Behandlung und zeigen ihre Entspannung zum Beispiel dadurch, dass sie sich schütteln, dass sie gähnen oder abkauen. Im Interesse des Tieres – und das ist Petra Siebert sehr wichtig – möchte sie am liebsten Hand in Hand im Team arbeiten: vorrangig mit dem Tierarzt bzw. der Tierärztin, mit Sattler*in und Hufschmied*in.
Auf den Hund gekommen
Parallel zu ihrer Arbeit als Pferdeosteopathin ist Petra gerade dabei, ihre Arbeit verstärkt auch auf Hunde ausweiten und hat aus diesem Grund noch eine Zusatzausbildung angehängt. Im Unterschied zu der Arbeit mit den Pferden, die natürlich vor Ort in den Ställen durchgeführt wird, möchte sie diese Arbeit dann schon bald in eigenen Praxisräumen anbieten.
Doch das ist nicht der einzige Unterschied. Pferde und Hunde unterscheiden sich in einigen ganz entscheidenden Punkten. Vor allem in der Kommunikation sind Hunde im Vergleich zum Pferd den Menschen ähnlicher. „Pferde als Fluchttiere dürfen keinen Schmerz äußern. Äußert ein Pferd in der freien Wildbahn Schmerz, dann kommt der Säbelzahntiger und frisst es. (lacht) Das bedeutet für mich als Therapeutin, dass ich ganz andere Schmerzsignale erkennen und finden muss, als beispielsweise bei einem Hund. Beim Pferd muss ich schauen, wie ich an die Schmerzsignale herankomme, während der Hund ganz schnell sagt, wo’s weh tut. Deshalb ist er auch manchmal nicht so geduldig, geht einfach weg, wenn er ‚keinen Bock mehr hat‘ und lässt mich nur mehr ran, wenn ich ihm wieder die Sicherheit gebe, dass mein Handeln, meine Therapie ihm gut tut. Gerade diese unterschiedliche Kommunikation ist es aber auch, was ich so spannend an meiner Arbeit mit Pferden und Hunden finde.“