Der moderne Traditionsberuf des Müllers
Zwar haben die mächtigen Mühlsteine der unter Denkmalschutz stehende Mühle inzwischen ausgedient, traditionsbewusst geht es dennoch zu.
Die unter Denkmalschutz stehende Ammerndorfer Mühle geht auf das Jahr 1607 zurück. An dem reich mit Schnitzereien verzierten Fachwerkgiebel des Mühlengebäudes erkennt man neben dem Baujahr auch die Initialen des Erbauers Stefan Züll und seiner Frau Elisabeth Schademann.
Züll war ein wohlhabender Müller, dessen Vorfahren schon um das Jahr 1500 die Mühle führten. Seit 1878 befindet sich die Ammerndorfer Mühle im Besitz der Familie Stinzendörfer.
Heute wird die Mühle, die seit 1991 als Bioland-Lizenzbetrieb zertifiziert ist, in der fünften Generation von Müllermeister Johann Stinzendörfer geführt. Ihm zur Hand geht Paul Medla, der in Ammerndorf eine Ausbildung zum Müller oder, wie es offiziell heißt, zum Verfahrenstechnologen in der Mühlen- und Getreidewirtschaft macht.
Müller – ein Beruf mit langer Tradition und doch ein aussterbender Handwerksberuf. Dies spiegelt sich in dem Umstand wider, dass in ganz Mittelfranken aktuell gerade mal zwei junge Menschen gibt, die sich zum Müller ausbilden lassen.
Alles über das richtige Mehl
Type 405: Dieses helle Weizenmehl besitzt die besten Klebeeigenschaften und eignet sich für die meisten Kuchen und Plätzchen.
Type 550: Mit dieser Weizenmehl-Type gelingen Nudeln und Hefebackwaren am besten. Wenn der Teig für Brot, Brötchen und Gebäck gut aufgehen soll, empfiehlt sich zum Backen das Mehl mit der Type 550 (Weizen- und Dinkelmehl).
Type 630: Pizzabäcker schwören auf die Dinkelmehl-Type 630.
Type 1050 / 1150: Weizenmehl Type 1050, Roggenmehl Type 1150 und Dinkelmehl Type 1050 sind optimal zum Backen von Mischbrot geeignet.
Seit ewigen Zeiten der erste Lehrling
Und so liegt es für mich nah, Paul zu fragen, warum er sich gerade für diese Ausbildung entschieden hat. Seine Antwort kommt kurz und knapp: „Ich hatte ein Jahr Ferien, zu viel Zeit und das Buch ‚Beruf aktuell‘, eine Veröffentlichung der Bundesanstalt für Arbeit, in der alle Ausbildungsberufe aufgelistet sind. Daraufhin habe ich neun oder zehn Praktika gemacht unter anderem auch bei einem Bäcker. Über den bin ich dann in der Ammerndorfer Mühle gelandet, wo ich zunächst ebenfalls ein Praktikum gemacht und dann eine Ausbildung angefangen habe.“
Auch für Albert Stinzendorfer, den Seniorchef der Mühle, ist Paul etwas Besonderes: „Seit ewigen Zeiten ist er der erste Lehrling. Mein Vater hatte zuletzt 1972 zwei Lehrlinge ausgebildet.“ Seit damals, Albert Stinzendorfer machte gerade seine Meisterprüfung, hat sich der Beruf des Müllers tiefgreifend geändert.
Wesentlich vielfältiger ist er geworden und komplexer: „Damals wurde noch sehr viel handwerklich gearbeitet“, erzählt mir der Seniorchef. „Ich habe in den sechziger Jahren noch mit Mahlsteinen gearbeitet, die dann geschärft werden mussten. Auch die Maschinen haben sich grundlegend von den heutigen unterschieden.“
Zwischen High-Tech und Industriegeschichte
In vielen Bereichen werden die Maschinen mittlerweile von Computern gesteuert, vieles ist automatisiert. In diesem Sektor muss sich Paul ebenso auskennen wie im Bereich der Elektrik und Mechanik. Vor allem muss er wissen, wo er hinlangen muss, wenn es Probleme gibt. Denn die Ammerndorfer Mühle läuft mit wenig Personal – die meisten der sieben Mitarbeiter sind im Büro beschäftigt – und das verlangt ein vielfältiges Wissen. Zumal auch ein Stück Industriegeschichte in der Ammerndorfer Mühle Dienst tut.
Herz der alten Mühle ist nämlich ein riesiger Siemens-Schuckert-Motor aus dem Jahr 1912, der über Transmissionen und Lederriemen die unterschiedlichen Maschinen in dem vielgeschossigen Mühlengebäude antreibt. Der Motor, ein baugleiches Modell steht im Deutschen Museum in München, war seinerzeit mit vier Pferdegespannen angeliefert worden. „Mir ist es bis heute ein Rätsel, wie sie diesen schweren Motor hier herauf in den ersten Stock gebracht haben“, staunt Paul.
Mehl- und Getreidekunde als Teil der Ausbildung
An der Schnittstelle zwischen dem Bauern und dem Bäcker angesiedelt, muss sich Paul darüber hinaus auch in der Mehl- und Getreidekunde auskennen. Er muss nicht nur die einzelnen Getreidesorten kennen, sondern auch viele einzelne Sorten und deren Anforderungen an die Anbauflächen. Andererseits muss er auch wissen, mit welchem Mehl im Praxiseinsatz beim Bäcker die erwünschten Ergebnisse zu erzielen sind.
Nach knapp zwei Stunden, in denen ich mit Paul in der weitläufigen und vielerorts auch recht lauten Mühle unterwegs war, habe ich eine Ahnung bekommen, warum er sich für diesen Beruf entschieden hat. Denn es gibt wohl wenige Berufe, die so vielfältig sind und die eine so lange Tradition mit modernster Technik verbinden, wie der des Müllers.